Wer macht die Kornkreise?

Ich übertreibe? Bestimmt nicht. Wenn man genau hinschaut,
erkennt man diese Strategie bei vielen Entdeckungen: Erst
Sensation, dann „Enthüllung des Irrtums“ und am Ende
Schweigen im Walde. Erinnern Sie sich noch an die Sache mit
den geheimnisvollen Kornkreisen, jenen Figuren in den Feldern,
die in den 80er Jahren zuerst in England und dann weltweit
für Schlagzeilen sorgten? Das Beunruhigendste ist, daß
man nicht weiß, wie sie entstehen. Sie tauchen plötzlich über
Nacht in einer erstaunlichen Perfektion auf, und in einigen
Formationen konnte man unerklärliche Effekte messen, wie
Anomalien im Magnetfeld und der Radioaktivität. Mit Kreisen
hatte es begonnen, über die Jahre entstanden jedoch komplizierte
und formschöne Muster, das Korn war zudem in einer
Präzision gedreht flachgedrückt worden, wie man es nicht
nachmachen kann, ohne es zu knicken.
Die Zeitschrift „PM“ setzte im Juli 1992 einen Preis von 3.000
Pfund aus für die beste Fälschung. Es traten mehrere Gruppen
an, doch das Ergebnis war kläglich: die Symmetrie und Struktur
der echten Kreise ließ sich nicht nachahmen. Die Formationen
nahmen an Zahl und Schönheit zu, man zählte bis 1991
circa 2.500, und sie wurden immer populärer. Tausende von
Menschen strömten in den Sommern ’90 und ’91 nach England,
um sich von dem Phänomen faszinieren zu lassen. Die
Kreise wurden in der Werbung verwendet und zierten ein
Schallplattencover (Led Zeppelin). „Der Faszination der Kreise
erlagen viele, die sich immun geglaubt hatten gegen jede Form
von Mystizismus. Die Kreise wurden zu Wallfahrtsorten im
Korn.“
Daß es in der Nähe der Kreise zu vielen UFO-Sichtungen kam,
war Anlaß für Spekulationen und machte die Sache noch
spannender. Wissenschaftler waren ratlos, und diejenigen unter
ihnen, die das nicht eingestehen mochten, blamierten sich

96 Jürgen Krönig: „Kreise – ein moderner Mythos“ in „Spuren im Korn“

mit „Erklärungen“ wie „sich paarende Igel“, „Wachstumsstörungen“
oder „intelligente Wirbelwinde“. Auch das britische Militär
interessierte sich dafür und war nächtelang mit Helikoptern
und Nachtsichtgeräten im Einsatz. Ob sie allerdings mehr herausgefunden
haben als die privaten Kreisforscher, werden wir
wohl nie erfahren. Die Behörden schwiegen – wie immer, wenn
es spannend wird.
Am 9.9.1991 aber lüftete „Today“ (die britische „Bild“-Zeitung)
das Geheimnis: die beiden Rentner Doug Bower und David
Chorley gestanden öffentlich, seit 1978 ca. 200 Kreise gefälscht
zu haben und zwar mit Hilfe von Seilen und Drahtkonstruktionen.
Damit hatte die Öffentlichkeit endlich ihre „Erklärung“,
das mit dem Phänomen verbundene Unbehagen war
beseitigt und man wandte sich anderen Dingen zu. Speziell in
der deutschen Presse herrscht seitdem Funkstille. Zum Beispiel
darüber, daß die beiden Rentner bei zwei Presseterminen
eine klägliche Figur abgaben, als sie ihre Kunst vorführen
sollten. Die Ergebnisse waren peinlich schlecht: „Nach einer
Stunde hatten sie nichts anderes hervorgebracht als ein mehr
oder weniger hantelförmiges Durcheinander, das mit den Originalen
so viel gemeinsam hatte, wie Stonehenge mit einer
Gartenlaube.“
Und selbst wenn sie 200 Kreise gefälscht hätten, bliebe die
Frage offen, wer für die restlichen 2.300 verantwortlich ist, von
denen manche in derselben Nacht und Hunderte von Kilometern
entfernt entstanden waren. Das ist nun doch ein bißchen
zu viel, selbst für zwei rüstige „Korngreise“.
Die Story genügte jedoch, um die Popularität des Phänomens
zu brechen, und es sieht so aus, als stecke da mehr dahinter
als eine Stammtischidee von zwei Aufschneidern: In dem „Today“-
Artikel tauchte der Vermerk auf: „Copyright MBFServices“.
Nachfragen bei der Redaktion ergaben, MBF sei

97 Michael Hesemann in: „Botschaft aus dem Kosmos“

eine „freie Presseagentur“, welche die beiden Rentner an „Today“
vermittelt habe. Eigenartig ist nur, daß eine Agentur dieses
Namens nirgends bekannt ist, sie hat weder Adresse noch
Telefonnummer und hat weder vor noch nach dieser Sache
jemals etwas veröffentlicht. George Wingfield erinnerte das an
ein Gespräch mit einem ehemaligen MI5-Mitarbeiter (britischer
Inlands-Geheimdienst) darüber, wie man Desinformationen
verbreitet. Dieser sagte: „Ich war darin verwickelt, als der MI5
Desinformation im Nord-Irland-Konflikt in die Welt setzte. Wir
gründeten zu diesem Zweck eine scheinbar private Presseagentur,
an deren Schreibtisch unsere Leute saßen.“ 98
Ein amerikanischer CBS-Reporter, der im Sommer 1991 einen
Film über die Kornkreise drehte, war schon vor der Affäre von
einem Freund, einem Regierungswissenschaftler, gewarnt
worden, seinen Ruf nicht aufs Spiel zu setzen, da die britische
Regierung vorhabe, zwei Künstler zu engagieren und der
Presse als Verursacher der Kreise zu präsentieren, um „dem
leidigen Rummel endlich ein Ende zu setzen.“ 99
Das Ergebnis ist bekannt. Heute beschäftigt sich – wie bei Wilhelm
Reich oder der kalten Fusion – nur eine kleine Zahl Interessierter
mit den Formationen im Korn, die trotz Presseboykott
die Freundlichkeit haben, jeden Sommer neue interessante
Muster zu kreieren.
Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter darüber spekulieren,
wie die Kreise entstehen, so faszinierend das Thema auch
sein mag. Das habe ich – mit neuerem Wissensstand – in meinem
Buch „Das Gegenteil ist wahr“ nachgeholt. Ich will hier nur
zeigen was passiert, wenn ein Phänomen unerwünscht ist. Die
meisten von uns halten sich oder die Presse für „gut informiert“.
Ich fürchte, daß sie da einer fatalen Wunschvorstellung
aufgesessen sind.

98 Hesemann a.a.O.
99 Colin Andrews zu Hesemann a.a.O.